Für die Opfer der "Euthanasie"-Verbrechen im Nationalsozialismus Baden-Württemberg

In Grafeneck begann im Jahr 1940 die sogenannte Aktion "T4". In einem Jahr wurden hier unter nationalsozialistischer Herrschaft 10.654 Menschen mit geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen ermordet. Heute existiert in Grafeneck eine Gedenkstätte und ein Dokumentationszentrum zur Erinnerung an die Opfer und gegen das Vergessen in den Diskussionen der Gegenwart.

Panoramabild des Schlosses Grafeneck im Jahr 1930. Zu sehen ist das drei-flügelige Schloss auf einer Anhöhe, umgeben von Wald.
Das Foto zeigt einen von der Reichspost der T4-Organisation überlassenen roten Bus. Die Aufnahme entstand bei einer der Deportationen von Heimbewohnern aus der Stiftung Liebenau nach Grafeneck im Herbst 1940. Im Vordergrund zu sehen sind mehrere Personen, darunter zwei Männer in weißen Mänteln, die Formulare auszufüllen scheinen. Am rechten Bildrand steht ein Mann mit einer weißen Schürze. Im Hintergrund steht ein roter Bus.
Zur Landwirtschaft gehörendes Gebäude ("Remise"), in das zur Jahreswende 1939/40 eine Gaskammer eingebaut wurde. Das Bild zeigt ein längliches, weißes Gebäude. Links am Gebäude befindet sich eine Tür, rechts daneben drei Tore aus Holz. Die beiden mittleren Tore sind geöffnet.

Grafeneck 1940

Historische Luftaufnahme des Schlosses und des gesamten Geländes in Grafeneck 1930. Im Vordergrund befindet sich das Schloss auf einer Anhöhe, umgeben von Wald. Im Hintergrund befindet sich das landwirtschaftliche Hauptgebäude und am rechten Bildrand das Gebäude, welches 1940 zur Gaskammer umgebaut wurde. Dahinter sind Felder und Bäume

Nirgendwo sonst in Baden-Württemberg lassen sich die Verbrechen des NS-Staates räumlich und zeitlich so verorten wie in Grafeneck 1940.

Schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg war die historische Tragweite offenkundig: Grafeneck war 1940 zu einer Menschenvernichtungsanstalt geworden. 10.654 Menschen waren dort 1940 ermordet worden, zu diesem Ergebnis kamen bereits der Tübinger Grafeneck-Prozess des Jahres 1949. Angeklagt waren acht Männer und Frauen, von denen fünf freigesprochen und drei zu insgesamt achteinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt wurden. Die Anklage lautete auf Beihilfe zum Mord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Der zentralen "Euthanasie", der so genannten Aktion T4 in den Jahren 1940/41, folgte die dezentrale, die bis Kriegsende 1945 andauern sollte. Hierbei wurden weitere tausende von Menschen direkt in den Kliniken und Heimen Südwestdeutschlands zu Tode gebracht: durch gezielte Einzeltötungen mit Spritzen, durch Medikamente und Nahrungsentzug.

Bis heute sind diese Vorgänge nur in Ansätzen erforscht, vieles, so lässt sich vermuten, wird auch nicht mehr zu klären sein. Diese nüchterne Bilanz kann weder angemessen das Leid der Opfer noch der Überlebenden oder Angehörigen thematisieren. Eine Anerkennung als Opfer von NS-Unrecht, eine angemessene Entschädigung und eine angemessene Form der Erinnerung wurden über Jahrzehnte verweigert.
2014 erst entstand ein nationale Erinnerungsstätte in der Tiergartenstraße 4 in Berlin für die Opfer der NS-"Euthanasie".